28 August 2008

¿Hablas a little de toutes les Sprachen?

(WZ-Kolumne)
Später Nachmittag in einer gemütlichen, verhältnismässig kleinen Albergue, die in einem Zisterzienserkloster untergebracht ist. Die Pilger haben ihre Wäsche gewaschen (von Hand natürlich, wie jeden Tag) und zum Trocknen in die Sonne gehängt, die Blasen an den Füssen sind versorgt, nach dem fast schon kollektiven Nachmittagsnickerchen kommt langsam wieder mehr Leben ins Klostergebäude aus dem 17. Jahrhundert. Viele schreiben Tagebuch. Da und dort beginnt man zu plaudern, es bilden sich Grüppchen, oftmals fein säuberlich und bequem nach Nationen beziehungsweise Sprachen geordnet oder nach bereits bestehenden Gruppen. Als Einzelpilger kann es anstrengender sein, meistens aber auch viel spannender. So finde ich mich plötzlich mit der spanischen Hospitalera (ehrenamtliche Mitarbeiterin der Herberge) und einer Pilgerin aus Korea am selben Tisch wieder. Die Hospitalera spricht weder Deutsch noch Koreanisch noch Englisch, die Koreanerin wenig Englisch, kein Deutsch und genau wie ich so gut wie kein Spanisch. Dieser Abend wird zu einem der vergnüglichsten und herzlichsten, den ich je hatte. Ich weiss nicht genau, wie das funktionierte, aber es funktionierte. Wir verständigten uns mit Herz, Händen und Füssen, den wenigen Worten in einer anderen Sprache, die wir irgendwo aufgeschnappt hatten, mit Grimmassen, Gesten, Zeichnungen, Geräuschen – das reinste Chaos. Aber wir verstanden uns. Und wir verstanden uns sehr gut. Wieder so eins von diesen wunderbaren, unerwarteten Geschenken, die der camino immer wieder für einen bereit hält.

21 August 2008

Am Morgen II

(WZ-Kolumne)

"Am Morgen" gelesen? Die pure Pilger-Idylle in Frankreich? Ich muss sie revidieren. Seit ich in Spanien unterwegs bin, kann ich von solchen Morgen leider oft nur noch träumen. Ich möchte Ihnen deshalb nun auch die weniger idyllischen Seiten des Pilgerns nicht vorenthalten:
Erwachen durch das nervöse Licht der Taschenlampen, aufgeschreckt durch das Gequietsche und Gerüttle der Kajütenbetten. Fremde Wecker.
Aufbrechen, schon wieder so früh! Jeden Tag früher habe ich den Eindruck. Die Sonne brennt mir bereits nach wenigen Stunden im Rücken. Sie jagt mich in die richtige Richtung. Einen Platz für eine Pause erhaschen - da muss man sich sputen. Aber auch eine Autobahnbrücke spendet Schatten. Ich versuche den Lärm der vorbeirauschenden Autos auszublenden.
Es ist schwer, es langsam anzugehen am Morgen. Das richtige Tempo? Ich fühle mich verfolgt von Pilgern, bin eingeklemmt zwischen ihnen. Vor mir, neben mir, um mich herum nichts als Pilger. Hier und dort wird geplaudert, gequasselt, "gschnäderet". Mir war noch nie klarer, dass diesen Weg schon Millionen gegangen sind und ihn noch gehen werden. Dazu setzen mir lärmige, stinkende Strassen zu. Ein Wunder, wenn mal eine Minute Ruhe ist. Ich lenke mich
ab mit Gedanken ans Wiedersehen mit meinen Lieben, es sind ja bloss noch 200 Kilometer. 200 Kilometer? Meine Güte, ein Katzensprung! Doch lange kann ich nicht bei diesen Gedanken verweilen. Ich weiss nicht mehr recht wie atmen, die Abgas-getränkte, heisse Luft brennt mir in der Nase und im Hals. Bin ich nun Pilgerin oder Gefolterte?
Und trotzdem gehe ich weiter, immer weiter. Auch irgendwie magisch, oder?

14 August 2008

Typologie des Pilgers

(WZ-Kolumne)

Typ 1 - Der hightech-Pilger: In seine Ausrüstung hat er viel Zeit und vor allem viel Geld investiert. Er zieht leichte, moderne Materialien vor. Alles was er dabei hat, ist höchst strapazierfähig, neu auf dem Markt, atmungsaktiv, und eben ganz wichtig: hyperleicht. Im Rahmen seiner intensiven Vorbereitung hat er gelesen, leichte Materialen seien besser für die Pilgerei. Dumm nur, dass zuviel Leichtes auch schwer wird.

Typ 2 – Der Tourist: Er schleppt seine gesamte Fotoausrüstung mit, stoppt alle 50 Meter um ein Foto zu schiessen und muss daher – so scheint er jedenfalls das Gefühl zu haben – die 50 Meter zwischen seinen Fotostopps jeweils fast rennen, damit er neben der ganzen Rumfotografiererei auch noch ein bisschen vorwärtskommt.

Typ 3 – Der Besserwisser: Ungefragt rät er, nein drängt er einem seine weisen Pilgerratschläge. Er ist zwar selber erst seit vier Tagen unterwegs und weiss nicht, dass es bei mir schon zwei, drei Tage mehr sind (wie sollte er, er lässt mich nicht zu Wort kommen), aber er ist ja ein gestandener, älterer Mann, der mit seinen Kumpels unterwegs ist, während ich armes junges Pilgerhuscheli ganz allein auf dem Weg bin. Ja, da muss er mir schon möglichst viel von seinem Wissen mitgeben.

Typ 4 – Frauen und normale Pilger: Das mag jetzt wohl etwas frech klingen, aber ich habe tatsächlich noch kaum weibliche Pilger des Typs 1 bis 3 getroffen. Frag nicht mich, warum das so ist, frag am besten Typ 3.


07 August 2008

Vom Regen in die Bratpfanne

(WZ-Kolumne)
Saint Jean-Pied-de-Port, endlich! Bald heisst es "Au revoir le chemin, hola el camino"! Nach wochenlangem Regenwetter in Frankreich nun auch die berechtigte Aussicht auf schönes, warmes Wetter in Spanien. Die Pyrenäen heissen mich
willkommen und zeigen sich von ihrer besten Seite. Bei meinem Zwischenhalt auf 800 Metern die reinste Bergidylle und prächtiges Wetter. Ich kann mich kaum sattsehen an diesen wunderbar samtigen Hügeln! Und dieser Frieden! Ich geniesse die erhabene Ruhe der Bergwelt vor dem Sturm, der mich wohl oder übel auf der spanischen Seite mit den vielen Pilgern auf dem camino erwarten wird. Dann nehme ich die restlichen 600 Höhenmeter in Angriff. Im T-Shirt wie alle Pilger, Wandern gibt schliesslich warm, vor allem bergauf. Es geht höher und höher und wird kälter und garstiger. Auf 1400 Metern gerade noch 4 Grad, dicker Nebel, eisiger Wind, der Regen wie Nadeln auf den nackten Armen. Ok, vielleicht jetzt doch langsam eine Jacke anziehen. Man sieht nicht weiter als fünf Meter und muss sich ganz schön konzentrieren, dass man die Markierungen, die den Weg anzeigen, nicht verpasst. Mehrmals sinke ich knöcheltief im Matsch ein. Vielleicht mag ich die Pyrenäen doch schon nicht mehr so sehr. Doch die Aussicht auf den Sommer jenseits dieser Nebelsuppe motiviert mich. Irgendwann gehts nur noch abwärts und wird tatsächlich auch langsam wieder etwas wärmer. Am nächsten Tag bin ich schon wieder auf 400 M.ü.M. Ich gehe lange Strecken auf Asphalt, die Sonne brennt schon um zehn Uhr morgens. Sie saugt mich aus fast wie die Mücken damals im Horrorwald in Frankreich. Irgendwie vermisse ich die Pyrenäen.