29 September 2008

Ich steh an

Was ist das eigentlich mit der SBB und mir? He? Ich verbringe einen Grossteil meiner freien Zeit in ihren Zügen und stecke massenhaft Geld in ihren Hintern, zumeist auch noch Geld, das ich im Grunde genommen gar nicht habe - und was kommt zurück?? DAS!
Letzte Woche, schöner Herbstag, easy Feeling, Sonne scheint, dumdidum. Ich bin bereit. Entschieden, 2250.- CHF meines mühsam erarbeiteten Vermögens in ein Jahr öV'sche Freiheit zu investieren. Und diese Freiheit soll noch am selben Tag beginnen. Da gibts keine Kompromisse. Ich habe zwar kaum Zeit, aber bin dermassen optimistisch an dem Tag, dass ich an meine zahlreichen traumatischen SBB-Schalter-Erlebnisse nicht im Entferntesten denke. Alle Zeichen stehen auf Go, alles spielt mir in die Hand. Vor der Uni habe ich exakt 15 Minuten, um zägg noch schnell aufs Studisekretariat zu flitzen und dort den für mein Studi-GA erforderlichen Bestätigungsfötzel zu holen. Ich zahle 10.- CHF extra und lasse die Mittagspause sausen, aber macht nichts, ich will diesmal WIRKLICH KEINE Komplikationen am SBB-Schalter riskieren. Hab mich vorher extra noch ausgiebigst im Internet schlaugemacht, was alles an Unterlagen nötig sind für das Ding. Nichts soll mich und mein zukünftiges GA noch voneinander trennen. Nach der Uni und vor dem Büro reicht es noch einmal perfekt zäggzägg um an den Bahnhof zu flitzen und dort für das Stück Plastik zwei Mille liegen zu lassen. Im Bahnhof: Unglaublich! Für einmal stehen nicht die üblichen 50 Leute verteilt vor den drei geöffneten Schaltern! Zäggbumm komm ich dran. Die grimmige blonde Dame hinter der Scheibe wird nett, sobald sie spricht - oder gibt sich zumindest Mühe. Es scheint alles ganz getreu dem bisherigen Motto zäggzägg zu klappen. Häi! So gut lief das ja noch nie mit mir und dem SBB-Schalter! Als sich der Ausdruck meines Übergangs-GA's verzögert, denke ich immer noch nichts Böses. Nicht einmal, als die "nette" blonde Dame beim Drucker mal die Abdeckung wegnimmt - ist ja keine Sache, verheddertes Papier raus und dann zägg. Als sie die Druckerabdeckung zum fünften Mal abnimmt, bereite ich mich drauf vor, ihr sachte vorzuschlagen, ob sie mir das nicht vielleicht am Schalter nebenan ausdrucken könne. Sie kommt mir ruppig zuvor indem sie mich ganz loswird: Sie schickt mich zur Kollegin nebenan. Wo ich natürlich nochmal anstehen muss. Mercischön. Langsam fängts an, mir bekannt vorzukommen. Kaum steh ich an zweiter Stelle, gibt mir die Dame hinter der Scheibe (diesmal brünett) zu verstehen, dass ihr Schalter nun schliesse. Ich will mich wehren, schliesslich schickt mich die Blonde, doch die, immer noch arg beschäftigt mit der Druckerabdeckung (mittlerweile hat sie sie zum zehnten Mal entfernt und wieder eingesetzt...), ignoriert mich gekonnt. Winken und Klopfen nützt nichts. Sie ist schwerhörig und blind, aus heiterem Himmel. Naja, dann halt nochmal bei der Brünetten. Tut mir Leid, das geht nicht, ich hab jetzt zu, aber die Kollegin nebenan kann sicher übernehmen. Ich wechsle zur mittlerweile dritten Dame hinter Glas (hennarot). Resigniert aber doch einigermassen erstaunt stelle ich fest, wie rassig plötzlich alles von statten geht. Bis sie mir mitteilt, dass mein Foto abgelaufen sei. Ja Herrschaftszeiten! Was denn noch!!!?? Ok, ich schick es nach. Geht das? Ja, ja, mühsam, aber sollte klappen. Nur diese Studienbestätigung, die Sie gebracht haben, die können Sie wieder mitnehmen, die brauch ich eigentlich gar nicht.

ääääh!#?!¢fluch!!§°zäggbumm@#*!!

20 September 2008

Fear sells

Mitgekriegt? Diese Kampagne gegen Gebärmutterhalskrebs, die diese Woche schweizweit gestartet wurde? Alle 11jährigen Mädels sollen ab sofort quasi serienmässig dagegen geimpft werden. Auf diese Nachricht reagierte MEIN Gebärmutterhals erstmal heftigst mit Schluckauf. Mein Unterleib z(w)ickte rum wie Anton. Ohne mir ne Spritze zu verpassen, hat diese Kampagne bei mir bereits etwas bewirkt: sie hat mir Angst eingeimpft. Ich fragte mich, während ein mulmiges Gefühl in mir aufstieg: He! Wenn die das jetzt müssen, hätte ich dann theoretisch nicht auch gemusst? Warum musste ich denn nie? Und was bedeutet es, dass ich nicht habe? Kann ich noch!?!? .... Gebt mir das Zeug, ich will auch!!
Toller Erfolg einer Kampagne, nicht?
Immerhin, jetzt durchschaue ich die Spielchen der Pharmaindustrie. Anstatt auf "sex sells" zählt man hier eben auf "fear sells". Und ich bin mir sicher, auf Dauer steigt dadurch bei den Frauen, die nie in den zweifelhaften Genuss dieser Impfung kamen, sogar noch die Zahl der Gebärmutterhalskrebsfälle, was dieser Angstschürerei gleich noch mehr Aufwind gibt...Und dann: Willkommen, Teufelskreis.

17 September 2008

Invasion der fremden Bekannten

Sie sind wieder da. Ich sehe sie. Ich sehe sie überall! Und manchmal sehen sie auch mich. Dann, natürlich, sobald sich unsere Blicke zu kreuzen drohen, schauen beide flux weg - nur um kurz darauf etwas verlegen und aus dem Augenwinkel wieder hinzustarren und sich dabei immer und immer wieder zu fragen "Woher zum Henker kenn ich diesen Menschen!?"
Ja ja, das passiert halt mal, klar. Aber warum (nochmal zum Henker!) passiert es mir innerhalb von zwei Tagen so oft, dass ich darob Vögel kriege?! Nur paar Beispiele:
Da gibt es die Sorte Verfolger. Wie diese Erstsemestrige. Ich kenn sie nicht, sie kennt mich nicht, ich hab sie nie vorher gesehen und werd sie wohl auch kaum noch sehen, aber am Montag und Dienstag bin ich ihr insgesamt viermal über den Weg gelaufen. Es scheint mir Tausende Neue zu geben an der Uni, aber nur sie taucht an jeder Ecke auf.
Oder die Sorte, die ich ganz oben beschrieben habe, wie die andere Studentin, die im Vorlesungssaal zehn Reihen unterhalb von mir sitzt. Beim Abscannen des Raums nach vertrauten Gesichter bleiben wir aneinander hängen und sind beide offensichtlich irritiert über das Gefühl von Bekanntheit bei der anderen Fremden... Wir starrten abwechselnd und mehrfach. Auf eine Lösung bin ich bisher immer noch nicht gekommen. Ich hoffe, sie auch nicht. Ich müsst mir sonst wohl langsam Sorgen machen.

15 September 2008

Allergiker-Info

Wusstest du eigentlich, dass Milch Milch enthält? Schon? Gratuliere, dann bist du sicher kein Allergiker. Die sind nach neuster, übervorsichtiger Ansicht unserer Lebensmittelgurus nämlich offenbar auch noch mit Dummheit gestraft, wie diese Milchpackung beweist:



14 September 2008

Scheuklappen bitte!

(WZ-Kolumne)
Kurz nach meiner Rückkehr traf ich mich mit einer Freundin in Bern. Ich konnte es kaum geniessen, denn ich war heillos überfordert. Jetzt hatte ich doch während Monaten jedem Menschen in die Augen geschaut, mit allen gesprochen, die ich traf, alles um mich herum betrachtet und vor allem: Mir Zeit gelassen! Und hier? Unmöglich! Mir wurde schwindlig ob all den Farben und Gesichtern, die zu schnell und zu zahlreich an mir vorbeihuschten als dass ich sie mir recht hätte ansehen können. So stolperte ich geradezu durch die Menschenmassen, wurde hin- und her geschubst und kam mir vor wie eine Ausserirdische.

Daraufhin sah ich ein, dass ich den Alltag ohne Scheuklappen, also ohne bewusstes Ausblenden, gar nicht ertrüge. Traurig, denn klar war ebenso, dass mir dadurch etwas fehlen würde. Mittlerweile glaube ich jedoch, die Balance gefunden zu haben. Ich spiele zwar oft wieder mit bei dem Spiel, in dem es darum geht, möglichst unbeeindruckt durch die Gegend zu laufen und so zu tun, als sähe man niemanden. Durch das Erlebnis in der Stadt habe ich aber Verständnis für dieses Verhalten gewonnen. Es ist gewissermassen auch Selbstschutz, weil man eben gar nicht dauernd alles aufnehmen KANN.

Der Alltag ist mir also auf den Fersen und meine Zeit auf dem Jakobsweg kommt mir schon lange vor wie ein Traum. Fast täglich jedoch blitzen Erinnerungen in mir auf und ich entledige mich kurz meiner Scheuklappen. Dann gehe ich lächelnd durch die Strassen und nehme mir Zeit, alle und alles anzuschauen. Ich fühle mich dann zum Glück nicht mehr wie eine Ausserirdische, bin aber sicher, jetzt komme ich einigen so vor :)

11 September 2008

Bilanz (unvollständig)

(WZ-Kolumne)

Ich blicke zurück auf die Erfahrungen und Erlebnisse der letzten zweieinhalb Monate und sehe, dass ich reich bin. Aber ich will mich kurz fassen und mich an die trockenen Fakten halten.
Schäden, Beinahe-Schäden, Traumata: 1x fast auf eine Schlange getreten (barfuss natürlich...), 2x im WC eingeschlossen, 1x von einem Hund in die Wade gebissen (so ein kleiner Scheisser), 1x von einem wirklich gefährlichen Hund angefallen (Wanderstock sei Dank!), 2x akute Gastroenteritis, Tendinitis (fast permanent), Blasen (ungezählt).
Beobachtungen in der Natur: Rehe, Hasen und viele andere Nagetiere, Schlangen, diverse Echsen, Bussarde, Adler, Frösche, Rebhühner, Störche und ca. 1000 Pilger.
Verbraucht: etliche Telefonkarten, 3 Päckchen Heftpflaster, 1 Rolle Tape, 1 Rolle sterile Gaze, ca. 2 Meter Faden (nicht zum Nähen, für die Blasen), ½ Fläschchen Desinfektionsmittel und mindestens ½ Liter Salbe für müdeMuskelngeschwolleneBeineentzündeteSehnengeschundeneFüsse.

Verloren: 1 Paar handgestrickte Pulswärmer (ausgerechnet am Tag vor der Pyrenäenüberquerung), 3 Zehennägel, einige schlechte Angewohnheiten.
Gefunden: etliche vierblättrige Kleeblätter, 1 fünfblättriges Kleeblatt, 1 Schirm (mit perfektem Timing direkt vor einem Gewitter), 1 versteinertes Schneckenhäuschen, den Glauben ans Gute im Menschen.
Und zwar u.a. dank: Käthi, Elisabeth, Nicole, Nadja, Louis, Catherine, Hubert, Martina, Corrie, Johan, Christian, Anne, Marise, Athos, Jeanne d'Arc, Danielle, Sabine, Wim, Markus, Patricia, Anna, Willy, Fernando, Marlen, Katharina, Jutta, Peggy, Jane, Sylvia, Soonji, Anita, Giorgio, Jose Luis, Stein, Bente, Michaela, Detlef, Nadine, Aurore, Normand, Valérie, Kimberly, Anna, Dieter, Kitsie, Alfred, Julia, Friedemann, Claudia.

04 September 2008

Der letzte Tag

(WZ-Kolumne)

Alle Ups und Downs geben sich nochmal die Ehre. Die Magenprobleme, die mich schon einmal für Tage ausgeschaltet hatten, kommen mit aller Heftigkeit zurück und mit ihnen alle überwunden geglaubten Zweifel (oder umgekehrt?). Die Angst davor, es vielleicht nun doch nicht zu schaffen. So kurz vor dem Ziel. Das Unbehagen beim Gedanken an Probleme und Verpflichtungen, die zu Hause auf mich warten. Aber so krank kann ich gar nicht nach Hause! Nur weiter geht auch nicht. Nichts geht.
Ich kann mich kaum noch auf den Beinen halten. Die 20 Kilometer bis nach Santiago zu schaffen, scheint mir unmöglich. Finisterre zu Fuss? Schon lange ausser Diskussion. Am Ende meiner Kräfte interessiert es mich sowieso kaum noch, wann und ob ich wo ankomme. Ich will bloss gesund werden. Bitte nur liegen. Nur warten.

Am nächsten Morgen geht es besser, doch mir scheint, ich habe alle Kräfte, die ich auf dem Weg gewonnen hatte, in diesen paar Stunden wieder verloren. Aber ich will gehen. Und so geht es.
Mein geschundener Körper kommt langsam wieder in die Gänge und auf einmal fühlt es sich an, als ob nie etwas gewesen wäre. Ob das die Vorfreude macht? Schon sehe ich Santiago vom Monte do Gozo aus vor meinen Füssen liegen. So steht es jedenfalls in meinem Führer. Aber nein, das kann doch nicht sein! Das muss irgend eine andere Stadt sein. In diesem Glauben gehe ich weiter bis ich das Ortsschild sehe. Da überwältigt es mich wie andere wohl erst vor der imposanten Kathedrale. Neben mir rauschen Autos und Lastwagen vorbei, ich weine vor Freude.