29 Oktober 2009

Berge, Flüsse, Seen

(WZ-Kolumne)
Ach wie lob ich mir doch den Zug! Kein Ort ist besser für die Inspiration, denn nirgends bekommt man gratis und legal mehr Einsichten in die Tiefen und weniger Tiefen des Seins anderer Leute. Oder man wird ganz einfach gut unterhalten. Wie eben auch auf dieser Fahrt nach Luzern. Da sitzt ein Vater mit seinen drei Kids im Abteil neben mir und sie spielen ein lustiges Ratespiel. Es gilt, möglichst rasch einen Begriff mit einem bestimmten Anfangsbuchstaben zu finden. Diesmal soll es ein See oder ein Fluss sein. Das Glücksrad bleibt bei „L“ stehen und eins der Kinder reagiert sofort.„Luzernersee!“ Auch wenn diese Antwort nicht so ganz korrekt war - die Sympathie war dem Jungen von allen Seiten sicher und jedem Passagier im ganzen Wagen stands ins mild lächelnde Gesicht geschrieben:
"Wie süss!“

In Luzern mit seinem schönen Luzernersee stieg ich um auf den Züri-Zug, wo mich Mitreisende eines ganz anderen Schlags erwarteten.

Der ganze Wagen war genötigt, das Handy-Gespräch eines offensichtlich sehr von sich selbst angetanen Mitmenschen mit anzuhören. Er sprach ohne Punkt und ohne Komma. Ich wüsste jedenfalls nicht, wo da ein mögliches Gegenüber überhaupt noch die Chance gehabt hätte, etwas dazwischen zu sagen. Vielleicht war da ja nicht mal einer am anderen Ende... Aber nun gut. Dass der quasselnde Passagier Deutscher war, würde ich hier eigentlich gerne unerwähnt lassen, denn ich möchte keine Vorurteile zementieren. Nur leider ist es für diese Geschichte tatsächlich unumgänglich. Er war also Deutscher. Und zwar ein „ach ich wohn jetzt echt schon so lange in der Schweiz, ich bin selber schon ein richtiger Schweizer“-Deutscher. Davon jedenfalls berichtete er lauthals an seinem Handy. Natürlich auch, wo er gerade war und wie schön es doch hier sei, in seiner Schweiz. So hörten denn auch alle mit, wie er, als wir am schönen Rotsee vorbeifuhren, seinen Gesprächtspartner wissen lies „Ja und jetzt fahr ich hier grad am Luzernersee vorbei.“

Wenn darauf nicht alle anderen Passagiere verlegen ihre Köpfe in irgendwelche Zeitungen gesteckt hätten, wäre in ihren Gesichtern ausnahmslos zu erkennen gewesen, was auch ich dachte:
„Wie peinlich!“