06 November 2012

Ich Sau!

Da stand ein Mensch mitten auf der Strasse. Es war nicht direkt in der Stadt, aber doch eine ziemlich rege befahrene Strasse und erst noch gerade nach einer scharfen Kurve, deshalb schon irgendwie besorgniserregend. Die Person könnte verwirrt sein oder so, dachte ich, da muss man doch helfen!
Angetrieben vom Zivilcouragegeschwafel in den Medien ging ich beherzt auf die Person zu. Ein  junger Mann mit Trisomie 21, wie sich beim Näherkommen herausstellte.

Ich wollte helfen, häi fühlte ich mich gut. Ich war im Begriff das zu tun, was alle in dem Moment von mir erwartet hätten, denn ich war die einzige und erste, die so nah an ihm vorbeiging. Mit dem mir selbst bauchpinselnden Gefühl, eine vorbildliche Bürgerin zu sein, wollte ich ihm seine unglückliche Position möglichst sanft bei- und ihn von der Strasse wegbringen, bevor vielleicht etwas schlimmes passierte. Ich hatte auch keine Angst, dass mir selbst dabei etwas passieren könnte. Durch die hehre Absicht hier selbstlos zu helfen, fühlte ich mich irgendwie unverwundbar. Es konnte gar nichts schief gehen.

Oha ging das schief.

Kaum hatte ich zu sprechen angehoben, wandte sich der junge Mann mir blitzschnell zu, bereit zum Angriff. Oh und sein Blick! Pure Abscheu. Er stürzte auf mich zu und wie ein Zeus donnerte er mit seiner vollen Stimmgewalt in die kühle Herbstluft hinaus:
"DUU SAU!!".*
Kk! Bin ja schon weg! 
Seinem Beintritt entkam ich grad noch knapp. Zum Glück war ich bald in Sicherheit, denn auf das Trottoir wollte er sich offenbar partout nicht begeben, nicht mal um der Sau eine reinzuhauen.
Ich ging weiter meines Weges, schaute immer wieder zurück und wusste nicht, ob ich mehr verwirrt, mehr besorgt oder mehr beides sein sollte.
Mit jedem Schritt jedoch legte sich mein aufgewirbeltes Gemüt etwas und irgendwann musste ich lachen. Weil er einfach recht hat.
Wenn er auf der Strasse stehen will, dann soll er auf der Strasse stehen. Das ist nicht meine Angelegenheit. 

Ok, Sau war vielleicht etwas gewagt. Aber dafür ist die Message total vorbildlich angekommen.

* Ein Echo an dieser Stelle hätte die Dramatik der Szene wahrlich vervollkommnet.