14 Dezember 2013

Notizenarchäologie

Ich miste gerade alte Notizhefte aus und mache einige erheiternde Funde. Zu schade sie unverbloggt wegzuwerfen.

Im so gut wie leeren Voralpenexpress ab St.Gallen in Richtung Luzern. Drei ältere Leute, zwei Damen, ein Herr, steigen zu und richten sich ein. Kaum haben sie sich jedoch gesetzt, entdecken sie einen Reservationszettel an der Scheibe kleben und machen sich deshalb sogleich wieder daran, einen anderen Platz zu suchen. Bis die eine Frau etwas bemerkt (die zweite Frau hält sich während der ganzen Unterhaltung zurück).
Sie: Ah, dasch ja ersch ab Arth Goldau.
Er: Chum, mir gö dert übere ga hocke.
Sie: Aber dasch ersch ab Arth Goldau.
Er: Chum, mir gö dert übere ga hocke.
Sie: Bis Arth Goldau chömer bliibe.
Er: Gang mau dert füre ga luege öbs no Platz het.
Sie: (sich auf den Weg machend) Bis Arth Goldau chömr ja bliibe.
Er: (Ruft ihr nach) Gang de ou mau ga luege öb's im Restaurantwage no e Tisch frei het.
Sie: (zurückkommend) Mir chöi ja hie blibe u de immerno wächsle, Arth Goldau isch no lang nid.
Er: U we's de denn gar ke Platz meh het?
Sie: Mr chöi ja z'Arth Goldau umstiige für uf Luzärn.
Er: Ja, mr stiige um.
Sie: (schaut nochmal genau) 15 bis 48 steit da. Villich sis ja de gar nid 48 Lüüt.

12 Dezember 2013

Keinen blassen

Ich weiss es nicht. Ich weiss nicht nur grad nicht, was ich schreiben soll, ich weiss auch sonst ziemlich wenig. Wenn ich es mir recht überlege eigentlich kaum etwas. Um nicht zu sagen nichts. Aber damit sagte ich schon wieder zu viel. „Ich weiss, dass ich nicht weiss“ möchte ich mir nämlich nicht anmassen zu sagen, schliesslich sind diese paar Worte seit der Antike bereits in prominentem Besitz.
Als Teenager in der Schule war „Ich weiss nicht“ aber jedenfalls die coolste Antwort überhaupt, das weiss ich noch gut. Auch wer die Antwort eigentlich wusste, konnte allfälliges Streberimage mit dieser Zauberformel gleich im Keim ersticken (übrigens auch im Schulfach Französisch als „schö nö se pa“ sehr beliebt). Es galt: Nichtwissen ist cool.
Doch das Spielfeld änderte sich und mit ihm die Regeln. An der Uni oder im Berufsleben machte es sich plötzlich gar nicht mehr gut offen zuzugeben, wenn man etwas nicht wusste. Hier gehört offenbar zu den Angesehenen, wer möglichst glaubhaft vorgeben kann, alles zu wissen. Geglaubt wird, was gut behauptet wurde. Wahrheit scheint da nicht mehr so eine Rolle zu spielen. Und es gibt sehr viele Leute, die wahre Meister darin sind so zu tun als ob sie wahre Meister wären. Dabei wäre in den meisten Fällen „ich weiss nicht“ die ehrliche Antwort. Aber darum geht es eben nicht in dem Spiel, in dem gilt: Wissen ist Macht.

Wenn Wissen Macht ist, ist Macht aber auch der reinste Stress. Solche Macht braucht ja einen heiden Unterhalt, man muss stets noch mehr Wissen anhäufen, sich altes Wissen immer à jour halten und aufs Neue verteidigen. Und traurig ist das auch. Je mehr man sich den Kopf füllt mit vermeintlichem Wissen, desto weniger hat man Augen all das zu sehen, was wir einfach immer noch nicht wissen, dass wir auch nach Tausenden von Jahren zum Beispiel immer noch keinen blassen Schimmer haben, was wir eigentlich hier auf diesem Erdball machen und was das ganze Theater soll. Wir wissen nichts und kein Wissen der Welt kann darüber hinweg täuschen.

Möge also Macht anstreben wer wolle, mir ist es zu anstrengend. Nachdem ich mich auf beiden Spielfeldern bewegt habe, muss ich sagen, Nichtwissen gefällt mir erheblich besser. Mittlerweile geht es dabei allerdings nicht mehr um Coolness, aber es macht einfach mehr Spass. Eigentlich hat es sogar nur Vorteile. Es ist ganz leicht, jeder kann es und vor allem hört diese elende Besserwisserei damit auf - wenn zwei nichts wissen, kann nicht der eine es besser nichtwissen.

10 Dezember 2013

The Ring

An der vor mir auf der Lehne ruhenden Pranke steckt ein Ring. Oder eher: Einer der Finger steckt in einem Ring fest. Bequem sieht es jedenfalls nicht aus. Ich denke, es ist ein Ehering.
Passend zur Hand ist zwar auch der Ring grosszügig bemessen, dick, golden, protzig,  aber eben trotzdem zu eng. Der Finger quillt rund um den Ring herum auf. Ich glaube kaum, dass er da je wieder rauskommt. Und wie muffig es da drunter riecht, möchte ich mir nicht genauer vorstellen. Frische Luft und Sonnenlicht täten ihm gut. 
Der Ring schnürt ihn ab von Blut und Sauerstoff. Gesund kann das auf Dauer nicht sein. Bestimmt spürt so ein Finger mit der Zeit auch weniger als andere. Seine Bewegungsfreiheit ist eingeschränkt, und so wie es ausschaut, bleibt er leicht hängen. An Gegenständen, Menschen, Orten.