03 Februar 2014

Glatt rasiert


Vom Hype um Hygiene, von hohlem Gemüse und von der Kunst sich hinter Nacktheit zu verstecken.

Ich meine mal gelernt zu haben, Hygiene und Körperpflege sei, wenn man sich ordentlich und regelmässig wäscht, die Zähne putzt und solche Sachen. Sich mit einleuchtenden Massnahmen die Gesundheit erhalten also. Was allerdings mittlerweile alles als Körperpflege oder gar Hygiene gilt, ist erstaunlich. Vor allem wird es immer mehr und hat dabei immer weniger überhaupt noch mit Gesundheit zu tun. Oder wie genau fördert es bitte die Gesundheit sich ständig alle möglichen Körperhaare zu entfernen? Und macht uns der Gebrauch eines Deodorants etwa gripperesistent?
Was wir da treiben, ist mehr Körperentfremdung denn Körperpflege; und doch nennt man es so, der Begriff lässt es so wunderbar vernünftig und nötig erscheinen. Es würde mich nicht wundern, wenn in absehbarer Zeit auch die regelmässige Botoxspritze oder die gelegentliche Schönheits-OP gemeinhin als „Körperpflege“ durchgehen würde.

Aber ob mit oder ohne Chirurgie: Es ist wohl eins unserer zeitintensivsten Hobbies unsere Erscheinung zu polieren. Wir wollen glänzen, glatt und straff sein, wir schmieren und kaschieren, schrauben an unserem Äusseren to the max. Und alle machen ohne nachzudenken mit. Oder eher ohne mitzudenken nach. Wer will schon als ungepflegt gelten. Ungepflegt gleich ungeliebt, das haben wir schon früh gelernt. Da ist es der Werbung ein Leichtes uns noch weiteren Stress anzudrehen. Es ist verrückt, aber der grösste Teil der Werbespots bombardiert uns ja tatsächlich nur noch mit sogenannten Körperpflegeprodukten, bei denen es mittlerweile eigentlich um nichts anderes mehr geht, als den Körper in seinen natürlichen Funktionen zu stören: "Weg mit dem Schweiss!", "Weg mit den lästigen Haaren!" (aber natürlich nicht die auf dem Kopf, die sollen bitteschön wieder nachwachsen mit dem Wundermittelchen aus dem nächsten Spot).

Man bekämpft dauernd die Haare an der einen Stelle und dann versucht man verzweifelt, sie an einer anderen wieder spriessen zu lassen? 

Ach, Mensch. Eigenartig, wie er ständig danach trachtet seine Natur zu verstecken. Früher verhüllte man sich bis zu den Fussknöcheln. Heute zeigen wir alles und zeigen uns doch nicht. Unsere Maske ist der perfekt zurecht gemachte Körper.

Ein Satz aus der Werbung bringt es auf den Punkt: „Mein Haar soll gesund aussehen und glänzen". Aha, genau, es reicht ja, wenn es bloss gesund aussieht. Von sein redet keiner. Statt wirklich im Interesse unserer Gesundheit Hygiene zu betreiben, pimpen wir unsere Körper, um den Schein zu wahren.

Da geht es uns nicht anders als dem Gemüse im Supermarkt, das immer grösser, praller und perfekter aussieht, dabei aber nach immer weniger schmeckt und kaum noch nährt.

Je stärker wir von einem aalglatten Äusseren besessen sind, desto mehr laufen wir Gefahr, unser Inneres verkommen zu lassen. Und genau wie das, was uns am Körper stört, einfach weggeschnippelt oder überdeckt wird, kehren wir Emotionen unter den Teppich, die nicht ins Bild passen, das wir so gern von uns machen (lassen).

Kein Wunder ängstigt und ekelt es uns immer mehr vor allem, was aus uns herauskommt. Es kommt von da, wo wir all das Unangenehme vor uns selbst versteckt halten. Da, wo das Schwache und Menschliche lagert. Von unter dem Teppich.
Wir sind selbst der Teppich, unter den wir alles kehren. Und das ist wohl das einzig wirklich Unhygienische an der ganzen Sache.