11 Juli 2008

Am Morgen

(WZ-Kolumne)

Mit dem Sonnenaufgang und Vogelgezwitscher aufwachen. Kein Wecker. Aufbrechen, wieder und wieder, jeden Tag weiter - "Ultreïa!", so singen es die Pilger seit Jahrhunderten. Es langsam angehen. Spüren welches Tempo heute das Richtige ist. Gedanken kommen und gehen lassen. Plötzlich überrascht feststellen, dass man die letzten paar Minuten überhaupt nichts gedacht hat - welch eine Ruhe! Die Sonne im Rücken gegen Westen gehen; sie schiebt mich an in die richtige Richtung. Es zieht mich dahin, ich kann es nicht erklären. Schon mal kurz von der Freude kosten, die mich am Ziel erwartet, oder beim Wiedersehen mit meinen Lieben. Was ich alles zu erzählen haben werde! Aber nicht zu lange schwelgen. Es sind ja noch 1000 Kilometer. 1000 Kilometer? Verrückt...Die frische Luft trinken. Das verheissungsvolle, morgendliche Licht in den Feldern, auf den Hügeln, vor mir, neben mir, um mich herum nichts als Natur, so weit ich sehen kann. Kein anderer Mensch weit und breit, kein Lärm, keine Autos. Bin ich nun Königin oder Pilgerin?

Einen schönen Platz für die erste kleine Pause entdecken; als ob er auf mich gewartet hätte. Nur auf mich, gerade heute und jetzt in dem Moment. Ich fühle mich willkommen. Das Gefühl haben, der erste Mensch zu sein, der hier vorbeigeht und es geniessen, wohlwissend, dass schon Millionen vor mir diesen Weg gegangen sind. Ob es wohl deshalb ist, dass ich mich so aufgehoben fühle? Ich sehe niemanden, aber ich bin nicht allein. Das ist die Magie des Wegs.