20 März 2014

öV Total

Was man aber auch alles Spassiges mit dem öV erleben kann!

Durchsagen horchen
!
Die Lautsprecherdame am Perron sagt an: Ausfallmeldung. Die S9 nach blabla fällt aus. Grund dafür sind Bauarbeiten. Reisende nach blabla benützen bitte den Bahnersatzbus. Die Wegbeschreibung zum Abfahrtsort finden Sie an der Infotafel. Die Wegbeschreibung zum Standort der Infotafel finden Sie im Auskunftsbüro. Die Wegbeschreibung zum Auskunftsbüro haben wir mit Pfeilen auf den Boden gemalt.
(Ich kann tatsächlich nicht mehr sagen, wo genau meine Phantasie anfing und wo die Durchsage endete.)

Aber diese Zugdurchsage war zu 100% echt: Ladies and gentlemen, we're arriving in Basel. Outside is on the ritghthand side.
Und links klaffte das alles verschlingende, schwarze Nichts!

Und auch dieser (bewusst) humorige Buschauffeur war echt: In der Schweiz sind momentan rund vier Millionen Fahrzeuge registriert. Zu Ihrer Rechten sehen Sie, dass sich ein Grossteil davon gerade hier bei Schweizerhalle staut.

Da steht ein Zug bereit, der nicht nur so aussieht wie aus dem letzten Jahrhundert, sondern tatsächlich von dort kommt: Rostbraun und flaschengrün. Dreckige Sitze. Drückende Hitze. Oder mit den euphemistischen Worten der SBB, via Lautsprecher: Dieser Zug wird in einer Ersatzkomposition geführt.

(Jedoch, so stellte ich später fest, so ein Zug hat unschlagbare Vorteile: Keine Klimaanlage, die einem die Kehle austrocknet. Dafür Fenster, die man öffnen kann, die wegen der Hitze auch geöffnet werden, und die so wiederum - DER Clou! - so viel Lärm machen, dass niemand auch nur auf die Idee kommt mit dem Handy zu telefonieren!)

Gespräche lauschen!
Alte Klapperzüge sind erst noch gut für die Phantasie! Von fremden Gesprächen schnappt man bei so einem Lärmpegel nämlich nur Fetzen auf und darf sich den Rest dann selbst zusammenreimen. Während nur zehn Minuten habe ich all diese vielversprechenden Stichworte aus einem Gespräch mitbekommen: Bruder, Million gwunne, Stinker, Cannabis, Rede überne, Musikstudent, Theologie, Licht durch Turm, braungebrannt, Gigampfischloss, krass, luut.
Noch ein bisschen Schmuck, zack und düdeldü und der Bestseller wäre fertig!

Meine Zugfahrt wird ca. 40 Minuten dauern. Die beiden jungen Frauen schräg hinter mir, also genau genommen nur die eine von beiden, reden gerade über ihre Diät. Ich nehme mein Buch, damit ich da nicht zuhören muss. Nach 35 Minuten lege ich das Buch weg. Die Frau redet immer noch von ihrer Diät. Ich weiss nicht ob sie auch noch mager werden will, ihr Gespür für ihre Umwelt ist es jedenfalls bereits. Dass sich die andere nämlich nur ganz mager dafür interessierte, das merkte sie nicht.

Zwei Coole im Zug auf dem Weg zur Schule. Einer: Gehst du heute auch an das Teil wegen dem Brand und so? Anderer: Hä? Welches Teil und welcher Brand? Ist das nicht eh während unserem Dings?
Und dann das Wunder: Sie verstanden sich!!

Aufgeschnappt. "Hattest du jetzt eigentlich heute schon Dienst?" - "Nein, aber Dienstag hab ich dann."

Neues lernen!
Ein paar coole Halbstarke im Bus reden über klassische Musik (das allein schon hat komischen Höchstwert). Welcher war jetzt auch schon wieder taub, Mozart oder Beethoven? Ein besonders cooler gibt sich besonders gebildet und verlautet cocksure: Mozart! Allgemeine Zustimmung, Bewunderung, das Wissen wird so eingeloggt. (das war noch vor dem heute üblichen Reflex bei derartigen Fragen gleich das Smartphone zu zücken)

Im Zug. Drei Generationen einer italienischen Familie: Die Nonna, die Mutter, ihre schon etwas grösseren Kinder und der 2jährige Nachzügler. Diesen behandeln die beiden Frauen wie einen Idioten. Die Mutter zeigt ihm Tiere im Bilderbuch und lehrt ihn die entsprechenden Wörter in italienischer Babysprache. Beim Schmetterling sieht sie offenbar ihre Chance bei den anderen noch mit ihren Deutschkenntnissen aufzutrumpfen. Gross erzählt sie, wie schwer "farfalla" auf Deutsch sei und wiederholt mehrfach laut und deutlich: Eichhörnchen.

In der Welt herumkommen!
Hinter mir im Wagen lebendiges englisch-französisches Gequassel. Dazwischen plötzlich das deutsche Wort "Emmentaler". Ich lese im Gratisblatt weiter und prompt steht da was von Sbrinz William, dem englischen Thronfolger!

Und an einem anderen Tag im Zug mit einem Schweizerdeutsch sprechenden Zugchef, einer holländischen Familie und ihrem sehr lauten mitteilsamen Kleinsten und neben mir einem englisch diskutierenden Paar, las ich ein französisches Buch.

Über die Welt nachdenken!
Wenn die Leute am Morgen im Zug jemanden sehen, den sie ein bisschen kennen, meinen sie sie müssten die natürliche morgendliche Stille mit leerem Informationsaustausch überdecken. Wie lange wohnst du schon da, wann hast du Ferien, wohin, ah ein Hotel, was tut ihr denn da so, wo ist denn das genau, wir gehen jetzt mal da bla bla. Wie die Maschinen und das schon morgens kurz nach sechs.

Woran man eindeutig erkennt, dass das Hündchen als Kinderersatz herhalten muss: Wenn es hochgehoben wird, um ihm den Zug zu zeigen, der gerade durchfährt und dann tatsächlich auch noch mit seiner Pfote Winke Winke gemacht wird.

Neue Leute kennenlernen!
Im Bus zur Arbeit. Ein süsses Baby hinter mir auf dem Sitz sagt immer wieder Dosi zu mir, ich finde das so süss. Jedenfalls solange, bis die Mutter zu ihm sagt: Neei, das esch doch ned zGrosi! - "Bi wiitem ned!
Ich bin ihr dankbar für den Nachtrag!